Das Bayreuther Startup inContAlert setzte sich 2021 in der zweiten Phase des Businessplan Wettbewerb Nordbayern auf den ersten Platz durch und erreichte im Finale die Top 3. Co-Founder und CEO Jannik Lockl erklärt, wie ihre Lösung Menschen mit Blasenproblemen unterstützt und welche nächsten Schritte anstehen.
Mit welchem Thema beschäftigt ihr euch bei inContAlert?
Wir haben ein Gerät für Inkontinenzpatienten entwickelt, das ihnen dabei hilft, die Kontrolle über ihren Körper zu bewahren. Denn obwohl rund neun Millionen Menschen laut Deutscher Kontinenzgesellschaft in Deutschland unter Inkontinenz leiden, ist der Bereich aus technologischer Sicht extrem unterentwickelt. inContAlert gibt den Patienten Informationen darüber aus, wie voll ihre Blase ist, damit sie gezielt die Entleerung vornehmen können. Damit lassen sich ein unkontrollierter Flüssigkeitsverlust, die gesundheitsschädliche Überdehnung der Blase oder eine zu frühe Entleerung vermeiden. Im Fall von Querschnittpatienten zum Beispiel können damit auch die häufigen Unterbrechungen im Alltag und die zahlreichen Katheterisierungen, welche bei Entleerungen eingesetzt werden müssen, begrenzt werden.
Wie seid ihr auf das Problem aufmerksam geworden?
Die Idee haben wir auf einem Businessplan-Wettbewerb in Hong Kong entwickelt. Dort hatten wir uns als Ingenieure beworben und konnten durch das Wettbewerbsthema „Health-Tech for Seniors“ tief in die Gesundheitsbranche eintauchen. Durch den vielfachen Input zum Thema Inkontinenz entwickelte sich dort unsere Idee, nicht erst beim Moment des Urinverlustes anzusetzen und z. B. noch smartere Windeln zu entwickeln, sondern den Moment davor abzupassen und so die Würde der Betroffenen zu wahren.
Phase 2 der Bayerischen Businessplan Wettbewerbe 2022
Wie funktioniert eure Lösung?
Unser Gerät ist etwas kleiner als ein Smartphone und wird zwei Fingerbreit oberhalb des Schambeins mit einem Pflaster fixiert oder am Gürtel getragen. Von dort scannen wir kontinuierlich via Nahinfrarot den unteren Bauchraum. Je nachdem, wie er sich nun verändert, verändert sich auch das Licht, das zu unserem Sensorsystem reflektiert wird. Daraus können wir rückschließen, wie stark die Blase befüllt ist.
Im privaten Bereich erhält der Patient das Ergebnis auf sein Smartphone. Dort kann die Person sowohl in Echtzeit nachsehen, wie voll ihre Blase ist, gleichzeitig erhält sie aber auch einen Alarm bevor ein kritischer Füllstand erreicht wird. Im stationären Bereich kann das Pflegepersonal auf ein Dashboard, z. B. über die Rechner auf der Station oder ein Tablet, zugreifen. So können die sowohl für Patient als auch Pflegekraft unangenehmen Momente des Flüssigkeitsverlust vermieden und dringend benötigte Kapazitäten für die Pflege freigeschafft werden.

Worüber finanziert ihr euch?
Nachdem wir 2017 als studentisches Projekt gestartet sind, können wir durch einen erfolgreichen Wettbewerbsgewinn 2019 in Vollzeit für inContAlert arbeiten. Im Mai 2021 erhielten wir dann den Zuschlag für den EXIST-Forschungstransfer in Höhe von 712.000 Euro, womit wir bis Mitte 2023 finanziert sind. Gleichwohl können wir damit aktuell noch kein weiteres Personal aufbauen, das wir allerdings dringend benötigen, um uns in einzelnen Aufgabenfeldern besser fokussieren zu können. Deshalb planen wir aktuell unsere Seed-Finanzierungsrunde für Mitte 2022.
Ihr seid 2021 mit Phase 2 in den Businessplan Wettbewerb Nordbayern eingestiegen. Wie sah eure damalige Situation aus?
Der Wettbewerb hat uns ab ca. Ende 2020 gerade gut in die Karten gespielt: Damals fingen wir an, uns für unsere Finanzierung Ende 2021 vorzubereiten, zumal wir noch nicht wussten, ob wir noch einmal eine öffentliche Förderung bekommen. So wollten und mussten wir einerseits unseren Businessplan überarbeiten und für die Einreichung bei der Förderung vorbereiten, andererseits auch mit Business Angels und Investoren in Kontakt treten. Das ist uns durch die Wettbewerbsteilnahme super gelungen!
Wo steht ihr aktuell – was plant ihr für die nächste Zeit?
Wir sind bereits in der Erprobung unseres Produkts und arbeiten dafür eng mit Patienten zusammen. Dahingehend haben wir eine sehr rege Community, weil der Bedarf enorm hoch ist. Noch bewegen wir uns nicht in einem klinischen Umfeld, haben aber bereits zwei bei der WHO registrierte Studien zu dem Nutzungsverhalten und die gesteigerte Lebensqualität durchgeführt. Beide Studien wurden positiv evaluiert. Im Verlauf von 2022 wollen wir uns nun mit unserem neuen Prototypenstand ins klinische Umfeld bewegen und im größeren Stil Daten an Betroffenen aufnehmen. Das ist der notwendige nächste Schritt auf dem Weg zur CE-Zertifizierung, und das CE-Kennzeichen wiederum Bedingung für den erfolgreichen Markteintritt als Medizinprodukt.