Strategien zur Steigerung der Qualität von Patentanmeldungen im „Life-Sciences“-Bereich

Ob Methoden zur gezielten Veränderung von Genen (z. B. CRISPR-Technologie) oder mRNA-basierte Impfstoffe - unter dem Begriff „Life Sciences (dt. Lebenswissenschaften) werden die wissenschaftlichen Disziplinen zusammengefasst, die sich mit Strukturen und Prozessen von Lebewesen beschäftigen. Zu den wichtigsten Fachbereichen gehören Biotechnologie, Chemie, Biologie und Medizin.

In unserer wissensbasierten Wirtschaft spielt der Schutz geistigen Eigentums eine zentrale Rolle: Einerseits motiviert er durch wirtschaftliche Anreize zu Innovationen, andererseits sorgt er für die Verbreitung neuer Technologien, die wiederum weitere Fortschritte ermöglichen. In den letzten zehn Jahren hat sich der wahrgenommene wirtschaftliche Wert von Patenten dramatisch verändert. Technologieunternehmen und in jüngerer Zeit auch die Finanzmärkte haben begonnen, Patente nicht mehr nur als Bündel von Rechtsansprüchen zu betrachten, sondern als eigenständige Vermögenswerte, die mit Immobilien vergleichbar sind. Ein qualitativ hochwertiges Patent kann Startups und Gründern einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen – sei es durch die Sicherung von Investitionen, die Schaffung einer soliden Basis für Kooperationen oder den Schutz vor Nachahmern.

Der Wert eines Patents auf dem Markt hängt von seiner Qualität ab. Entscheidend ist der Vorsprung der zugrundeliegenden Erfindung gegenüber dem Stand der Technik, dem Schutzumfang der Patentansprüche und der potenzielle Nutzen in aktuellen und künftigen Märkten.

Die Qualität einer Patentanmeldung ist entscheidend, um Schutzrechte effektiv durchzusetzen und den wirtschaftlichen Wert der eigenen Erfindung zu maximieren.

Im Bereich Chemie und Biotechnologie können die unten aufgeführten spezifischen Strategien die Qualität von Patentanmeldungen erheblich verbessern:

1. Nachweis der Wirksamkeit über den gesamten Anspruchsbereich

Die Anmeldung sollte zeigen, dass die Erfindung im gesamten Umfang der Ansprüche funktioniert. Hierzu ist eine präzise Beschreibung technischer Effekte notwendig, die möglichst durch experimentelle Daten gestützt wird.

Beispiel: Wenn ein neues Konjugat zur Behandlung von Sepsis entwickelt wird, sollte die Wirksamkeit nicht nur an einem Organ, sondern auch an Lunge, Leber und Niere nachgewiesen werden. Das heißt, es sollten Experimente durchgeführt werden, die die technischen Effekte der Erfindung in verschiedenen Anwendungen oder unter verschiedenen Bedingungen demonstrieren.

Autorin

Clarissa Regler ist Patentanwältin bei Winter Brandl. Ihr Fokus liegt auf Patenterteilungs-, Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren im Bereich der Biotechnologie und Chemie sowie der Beratung von Startups zum Schutz ihrer Innovationen.

2. Funktionale Merkmale

Funktionale Merkmale in Patentansprüchen bieten meist einen breiteren Schutzumfang als strukturelle Merkmale und können dazu beitragen, den Gegenstand der Anmeldung vom Stand der Technik abzugrenzen.

Beispiel: Ein Patentanspruch könnte wie folgt lauten:
Ein monoklonaler Antikörper, der eine schwere Kette mit der Aminosäuresequenz SEQ ID NO: 1 und eine leichte Kette mit der Aminosäuresequenz SEQ ID NO: 2 umfasst.“

Hier wird der Antikörper spezifisch durch die genaue Aminosäuresequenz seiner schweren und leichten Kette definiert. Dies sind strukturelle Merkmale.

Der gleiche Anspruch könnte funktional formuliert werden:
Ein monoklonaler Antikörper, der spezifisch an das Antigen XYZ bindet.“

Hier wird der Antikörper nicht durch seine genaue Sequenz definiert, sondern durch seine Funktion, nämlich die spezifische Bindung an ein Zielantigen (XYZ).

Die funktionale Definition ermöglicht somit einen breiteren Schutzumfang, da sie auch Antikörper mit variierenden Sequenzen abdeckt, solange sie dieselbe Funktion ausüben.

Zumindest in der Beschreibung sollten jedoch strukturelle Merkmale als Beispiele für funktionale Merkmale definiert werden, um bei Bedarf als Rückfallposition zu dienen.

Weitere Strategien, wie zum Beispiel das sogenannte "Zwei-Listen-Prinzip", stellen wir dir in Teil 2 des Beitrags im Januar vor. 

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