Bei Startups denkt man an eine zündende Idee, durchgearbeitete Nächte und die Überzeugung, etwas Innovatives zu schaffen. Kommt der Aspekt der Finanzierung da etwas zu kurz, Herr Schindler?
Selbstverständlich sind Leistungsbereitschaft und Innovation wichtige Faktoren für den Erfolg eines Startups oder eigentlich jedes Unternehmens. Schaut man sich aber an, warum es im Einzelfall doch nicht zum Erfolg gereicht hat, dann landet man relativ schnell beim Thema Geld. Vielen Gründern geht es ja in erster Linie gar nicht ums Geld. Umso wichtiger ist es, sich keine unnötigen Risiken ins Haus zu holen.
Heißt das, man muss schon für die Entwicklung der eigenen Ideen Geld einplanen?
Ganz genau. Und nicht nur dafür. Eine passende „Kapitalausstattung“ ist extrem wichtig: Sie benötigen Geld als Liquiditätspuffer, als Investitionsmittel oder als Wachstumstreiber. Häufig ist dieses Kapital nicht einfach in Form von Rücklagen vorhanden, sondern muss beschafft werden. Dabei hat jede Phase der Entwicklung eines Startups ihre eigenen Anforderungen an die Finanzierungsform und auch an den Kapitalgeber. Ich habe die Rücklagen erwähnt: In der Gründungsphase stammen die Mittel oft aus Ersparnissen, aus dem familiären Umfeld oder aus Förderprogrammen. Später kommen dann Business Angels, Banken oder Venture Capital hinzu. Was auch nicht übersehen werden darf: Jeder Kapitalgeber bringt unterschiedliche Erwartungen und Bedingungen mit. Die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer sollten daher ihre Finanzierungsentscheidungen stets im Kontext der nächsten Entwicklungsschritte betrachten und nicht zu früh an den Renditeerwartungen eines Geldgebers ausrichten.

Dann schauen wir uns die einzelnen Phasen einmal an und beginnen ganz vorne.
Das ist die sogenannte „Seed-Phase“: Noch vor dem Markteintritt geht es hier um Marktanalysen, Businesspläne und Produktentwicklung. Die Ertragssituation ist noch unklar, aber es wird schon Kapital benötigt. In dieser Phase dominieren häufig Eigenmittel, Familie, Freunde und staatliche Förderungen. Business Angels kommen schon ins Spiel, aber mehr mit Erfahrung als mit Geld. Hausbanken spielen auch in diesem frühen Stadium insofern eine Rolle, als ein Partner für Zahlungsverkehr, Fördermittelberatung und Zugang zu Netzwerken benötigt wird. Auch ihre Gründerberatung, Businessplan-Checks oder Kontakte zu Bürgschaftsbanken können wertvoll sein. Generell sind die Gründerinnen und Gründer gut damit beraten, sich auf wenige langfristig orientierte Investoren zu konzentrieren und gezielt erste Sicherheiten aufzubauen. Beherzigen sie das von Anfang an, kann man mit einer klugen Struktur zu Beginn spätere Finanzierungsrunden erleichtern.
Die nächste Phase ist dann schon der Markteintritt…
Der Markteintritt und die Validierung: Die Idee wird marktreif, erste Kunden zahlen und das Geschäftsmodell nimmt Form an. Das Unternehmen professionalisiert sich, es entwickelt Strukturen und klare Zuständigkeiten. Das kann auch schon personelles Wachstum bedeuten, um diesen Anforderungen gerecht werden zu können. Finanzierungen kommen nun zunehmend von Business Angels oder von sogenannten „Accelerator“-Programmen, wie UnternehmerTUM der Technischen Universität München. Teilweise sind auch schon erste Venture-Capital-Investoren an Bord. Jetzt wird ein Liquiditätsplan wichtig und der Break-Even sollte zumindest angesteuert werden. Investoren wollen gewisse Leistungsindikatoren sehen. Gleichzeitig können sie beim Vertriebs- und Organisationsaufbau unterstützen. In dieser Phase zeigt sich, wie realistisch der Businessplan tatsächlich ist. Das ist quasi der Lackmustest: Wer hier die sprichwörtlichen „Hausaufgaben“ gemacht hat und überzeugen kann, der gewinnt Vertrauen bei den Investoren. Zu diesem Zeitpunkt kommen zunehmend Banken als Finanzierungspartner in Betracht. Sie erwarten ein stabiles Geschäftsmodell mit einer wachsender Kundenbasis, da sie dem Unternehmen mittelfristig auch klassische Finanzierungsinstrumente zugänglich machen wollen.
Nach Seed-Phase und Markteintritt folgt die Wachstumsphase. Was müssen die jungen Unternehmen auf der Finanzierungsseite beachten?
Um zu wachsen, muss das Unternehmen skalieren können. Wir sprechen von der Standardisierung von Prozessen und der Steigerung der Produktivität. Investitionen fließen in Effizienz, Marktdurchdringung und nachhaltige Profitabilität. Nun ist typischerweise auch der Zeitpunkt für Venture Capital, strategische Investoren oder Beteiligungsgesellschaften. Übrigens auch für Banken, etwa mit Förderdarlehen oder Kontokorrentkrediten. Was gerne übersehen wird: Leasing- und Factoringlösungen, die jetzt absolut sinnvoll sein können, gehören ebenfalls zur Finanzierung. Auch hier gilt der Rat, den Kreis der Investoren übersichtlich zu halten. Diese achten nun besonders auf eine professionelle Finanzplanung, Sicherheiten und eine breite Kundenbasis. Über die finanziellen Mittel hinaus ist Skalierung in dieser Phase eine Frage der Organisation: Unternehmensführung und -strukturen müssen mitwachsen. In der Wachstumsphase ist auch Konsolidierung ein Thema in Form strategischer Partnerschaften, internationaler Expansion oder Akquisitionen. Die Finanzierung kann zur strategischen Stellschraube werden. Hier sind wir mit dem Unternehmen schon relativ weit fortgeschritten.
Welchen wichtigen Finanzierungstipp würden Sie unseren Startups geben?
Ich würde ihnen auf jeden Fall raten, Finanzierung nicht als einen einmaligen Akt zu sehen, sondern als eine strategische Daueraufgabe. Gerade in einem wirtschaftlichen Umfeld, das einige Unsicherheiten birgt, ist eine solide Finanzierungsstrategie ein echter Wettbewerbsvorteil – und zwar für jede Entwicklungsphase des Unternehmens.
