Eine schier unglaubliche Zahl von 10^60 möglichen Materialkombinationen stehen Forschern und Entwicklern zur Verfügung, wenn sie die besten Materialien für eine Anwendung finden möchten. Hilfe gibt es in Form der KI-basierten Materials R&D-Plattform von ExoMatter. Deutsche Unternehmen, darunter Bosch Siemens Hausgeräte (BSH), Infineon und Airbus, nutzen die Plattform bereits für ihre Grundlagenforschung. So sind sie in der Lage, sich auf die vielversprechendsten Materialkandidaten konzentrieren, und Ressourcen einzusparen.
Kürzlich konnte sich Exomatter mit Unterstützung von BayStartUP ein Pre-Seed-Investment in Höhe von 1,7 Millionen Euro für ihre innovative Lösung sichern. Investoren aus dem BayStartUP-Netzwerk sind Vanagon Ventures als Lead-Investor sowie Bayern Kapital, weitere Kapitalgeber sind 212 NexT, ZAKA VC und Bloomhaus Ventures.
Hinter ExoMatter steht ein starkes Gründerteam: Dr. Josua Vieten ist Chemiker und Materialwissenschaftler mit Erfahrung u. a. am Lawrence Berkeley National Lab. Als CEO ist er für Vision, Strategie und Technik verantwortlich. Barbara Bachus, mit einem Hintergrund in Management und Chemie, ist als COO für Geschäftsentwicklung, Partnerschaften und Fundraising zuständig.
Wir haben mit Barbara über ihr Unternehmen und die aktuelle Finanzierungsrunde gesprochen.
Welches Problem löst ExoMatter?
Die Zahl 10 hoch 60 ist der Kern unseres Problems – das sind alle möglichen Materialkombinationen auf der Welt, mehr als es Sterne im Universum gibt. Für Unternehmen ist deshalb sehr herausfordernd, die perfekten Materialien für ihren Anwendungsfall zu finden. Der aktuelle Materialentwicklungsprozess basiert oft auf Trial and Error: Chemiker, Ingenieure oder Physiker wälzen erst monatelang Literatur und Patente, fragen Experten und starten dann teure und zeitaufwändige Experimente im Labor – oft ohne Erfolg. Kein Wunder, dass so ein Prozess fünf bis sechs Jahre dauern kann und viele Ressourcen verschwendet.
Hier setzen wir mit unserer Plattform an. Wir simulieren Materialien direkt auf Molekularebene mit Methoden wie DFT oder Machine Learning und bewerten sie in fünf Dimensionen: chemische, physikalische, ingenieurstechnische, Kosten- und Nachhaltigkeitseigenschaften. Jedes Material bekommt bei uns einen Score von 0 bis 10, damit unsere Nutzer sofort sehen, was passt. So sparen wir ihnen bis zu 90 % der Kosten und Zeit.
Die Idee entstand, als mein Mitgründer Josua für seine Doktorarbeit am DLR Materialien für Solarzellen suchte. Nach vielen ineffizienten Experimenten reiste er in die USA, entwickelte Algorithmen und bewies, dass man damit schneller ans Ziel kommt. Zurück in Deutschland wurde klar: Das ist eine Lösung, die viele brauchen könnten – und ExoMatter war geboren.
Eine sehr spannende Lösung! Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?
Wir bieten ein SaaS-Modell. Die Plattform ermöglicht es Nutzern, Materialien eigenständig auszuwählen. Implementierungshilfe gehört dazu, aber die Plattform ist so intuitiv, dass viele User nach kurzer Einführung selbstständig arbeiten können.
Ihr habt kürzlich eine Pre-Seed-Runde in Höhe von 1,7 Mio. Euro abgeschlossen. Wie verlief die Runde und was plant ihr mit dem Kapital?
Der Prozess hat insgesamt fünf Monate gedauert und verlief sehr erfolgreich; wir waren sogar überzeichnet. Bei der Auswahl der Investoren waren uns Diversität und Expertise wichtig. Neben den bayerischen VCs Vanagon Ventures und Bayern Kapital haben wir auch einen VC aus der Schweiz, einen amerikanischen Investor und einen Investor mit Materials-Fokus an Bord. Dadurch erhalten wir strategisches Know-how und internationale Reichweite. Das Kapital nutzen wir zum einen für den Ausbau unserer Sales-Aktivitäten. Zum anderen möchten wir mit unserer Plattform einen Technologiesprung machen, insbesondere in den Bereichen KI und Polymere.
Gehen damit auch Herausforderungen einher?
Ein zentraler Punkt ist, dass wir zwar ein funktionierendes erstes Produkt haben, technologisch aber noch nicht dort sind, wo wir den größten Mehrwert bieten können. Es ist eine Herausforderung, die Balance zwischen schneller Entwicklung, individuellen Kundenwünschen und dem Fokus auf unsere langfristigen Ziele zu halten. Unser Team wächst schnell: Von zwei Personen sind wir mittlerweile auf knapp 20 gewachsen. Dabei versuchen wir, Strukturen einzuführen, ohne unsere Agilität und Flexibilität zu verlieren.
Welche Tipps hast du für Gründer, die eine Finanzierungsrunde planen?
Traction ist entscheidend. Obwohl wir erst in der Pre-Seed-Phase sind, haben Investoren hohe Erwartungen an Umsatz und Skalierbarkeit. Zudem sind ein starkes Team und technologische Stärke von Bedeutung. Fokussiert euch auf den Lead-Investor und achtet darauf, dass potenzielle Investoren zu euch passen. Vermeidet Gespräche mit Investoren, die nicht zu eurem Fokus oder eurer Phase passen, um Zeit zu sparen.
Fotos: ExoMatter