Exits |

Disruption in der Zuführtechnik

Weltmarktführer RNA kauft Hofmann & Stirner

Durch das Münchner Technologie Zentrum (MTZ) sind Daniel Hofmann und Florian Stirner 2017 auf BayStartUP aufmerksam geworden. Damals noch durch eigene Mittel und den laufenden Cashflow finanziert, haben sie sich mit ihrem Unternehmen Hofmann & Stirner Zuführsysteme GmbH von der Teilnahme beim Münchener Businessplan Wettbewerb 2018 über das BayStartUP Finanzierungcoaching bis hin zur Finanzierung durch den HTGF und nun zum Exit vorgearbeitet. 

Die Lösung von Hofmann & Stirner (H&S) ermöglicht, dass die Einzelteile von Produktionsgütern zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort in die Produktionsanlage ihres Herstellers gelangen. Diese „Zuführtechnik“ ist eine Schlüsseltechnologie für beinahe jedes Produktionsunternehmen. H&S hat einen digitalen Zwilling der Produktionsanlagen entwickelt, dazu smarte Hardware. In dieser Kombination kann eine Branche digitalisiert werden, die sich bisher weitgehend auf erfahrungsbasiertes Wissen und Referenzen stützte. Der HTGF hat diese Relevanz am Markt für produzierende Unternehmen erkannt und investierte 2018 zusammen mit einem Family Office aus dem BayStartUP Investorennetzwerk. „Der Münchener Businessplan Wettbewerb war für uns die Möglichkeit, zielgerichtet Business Angels und Venture-Capital-Geber kennenzulernen“, so Daniel Hofmann.

Die Entscheidung für den Exit

Von 2018 bis 2020 nahm das Unternehmen Fahrt auf. „Unsere Vision ist und war die Digitalisierung der Zuführtechnik. Das ist der Unternehmensinhalt und damit wollen wir Geld verdienen“, sagt Florian Stirner. Was sie 2020 dann besonders benötigten, waren Erfahrungsdaten. H&S kam an einen Punkt, an dem man sich entscheiden musste entweder viel Geld für solche Daten in die Hand zu nehmen oder sich mit einem Partner zusammenzutun. Zum richtigen Zeitpunkt angeklopft hat dann die RheinNadel Automation GmbH (RNA). Der Hidden Champion ist Weltmarktführer in seiner Disziplin, beliefert von Tesla bis Siemens viele bekannte Unternehmen und brachte 50 Jahre Erfahrungswissen mit in den Deal. Einen solchen Erfahrungsschatz kann ein Startup nicht so einfach nachbauen, geschweige denn einkaufen.

Der Kontakt zu Rhein-Nadel Automation kam in Q2 / 2020 zu Stande: Der Weltmarktführer rief in der Münchener Firmenzentrale von H&S an. Man kam ins Gespräch, war sich sympathisch und traf sich zu einer Technologievorstellung. Im Anschluss daran habe sich schnell herauskristallisiert, dass die Zusammenarbeit nicht bei einem reinen Kunden-Lieferanten-Verhältnis bleiben soll, sondern enger gestrickt werden würde: „Wir wollten mit offenen Karten spielen,“ sagt Daniel Hofmann. „Daher sprachen wir an, dass wir mit verschiedenen Investoren im Gespräch für eine Serie A sind. RNA hatte Interesse an unseren Unterlagen – das Ergebnis ist bekannt.“

Top-Startups und spannende Technologien

Dies ist ein Beitrag aus dem BayStartUP Magazin "StartUPdate" 2021/01. Schauen Sie auf unserer Magazin-Seite vorbei um mehr aus Bayerns Startup-Szene und unserem Netzwerk zu erfahren: 

StartUPdate 01/2021

Technologische Zusammenarbeit, autarke Strukturen

Das Familienunternehmen hält nun einen maßgeblichen Anteil an H&S. Dafür stellen sie die KI-relevanten Daten für die Digitalisierung zur Verfügung. H&S selbst hat umfirmiert und agiert innerhalb der RNA Holdingstruktur weitgehend autark. Eine Strategie, die aufgeht: „Man hat bei RNA gemerkt, dass Startups in ihren eigenen Strukturen sehr viel agiler und dynamischer handeln können, als wenn sie im Unternehmen völlig aufgehen würden“, sagt Daniel Hofmann. Das Management eines im Markt etablierten Unternehmens handelt in dem Rahmen, den die eigene Unternehmenskultur hergibt. Ein Startup als neue Tochter bringt dabei eine neue unternehmenskulturelle Facette mit in die etablierte Struktur und kann Dinge ganz anders angehen und umsetzen. „Da gibt es auch im etablierten Unternehmen den ein oder anderen kreativen Kopf, der gerne weit über den Tellerrand hinausblicken will – und das sind dann ganz genau die Mitarbeiter, mit denen wir in engem Kontakt stehen.“

Vorteile für Startup und Marktführer

Der Fokus von Daniel Hofmann und Florian Stirner liegt nach der Übernahme auf der Digitalisierung des gesamten Produktportfolios von RNA, von der einfachen Zuführlösung bis zur Robotik. Das Ziel von RNA sind vor allem kürzere interne Durchlaufzeiten. Die RNA-Kunden profieren von mehr Planungssicherheit, höherer technischer Verfügbarkeit und den am Markt kürzesten Lieferzeiten.

Der Vorteil für das Startup: in der Sparte KI kann H&S mit den Daten von RNA seine Vorreiterrolle im Bereich Geometric Deep Learning weiter ausbauen. Dafür arbeitet man gerade an internen und für externe Kunden zugängliche KI Software-Produkte, die der Art, wie Maschinen entwickelt werden, eine maßgeblich neue Richtung geben soll. Die Gründer erklären: „Das geht Hand in Hand, weil wir bei RNA keine Überzeugungsarbeit leisten oder in bestehende Produktstrukturen eingreifen müssen.“

Der Mittelstand als starker Startup-Partner

Daniel Hofmann und Florian Stirner nehmen die Zusammenarbeit mit dem Weltmarktführer auch deshalb als gewinnbringend wahr, weil die Mitarbeiter unternehmerischer orientiert seien als bei einem großen Konzern. „Bei RNA sind alle Mitarbeiter vom Shop Floor bis zum Topmanager am Unternehmenserfolg beteiligt. Wenn das Jahr gut läuft, bekommt jeder eine Erfolgsprämie, was ich als sehr fortschrittlich erachte“, sagt Florian Stirner. „Jeder Mitarbeiter kennt die Zusammenhänge im Unternehmen und weiß, was seine Arbeit zum Gesamterfolg beiträgt.“ 

Die Technologie von H&S hat für den Zuführtechnikmarkt einen disruptiven Charakter. Die Unternehmer gehen davon aus, dass Maschinenbau und Produktentwicklung in naher Zukunft durch Geometric Deep Learning komplett „umgekrempelt“ werden wird. Damit entsteht die Möglichkeit, industrielles Erfahrungswissen – beispielsweise von Konstrukteuren und Produktentwicklern – mittels künstlicher Intelligenz abzubilden. Ihr langfristiges Ziel: ein Technologietransfer mit ihrer KI hin zu weiteren Bereichen aus der Produktionstechnik – von Schraub- und Greiftechnik bis hin zu Spritzgussverfahren.

Fotos: RNA

Von |