Das Startup 4tiitoo ist auf Blicksteuerung bei der Computerbedienung spezialisiert. Wir berichten über die letzte Finanzierungsrunde und welche Herausforderungen die Erweiterung der Produktpalette mit sich brachten.
3,1 Millionen Euro – diese Summe investierten im Oktober 2020 Kapitalgeber auch aus dem BayStartUP Investorennetzwerk in das Tech-Startup 4tiitoo. Direkt nach der Runde ging das Team seinen zweiten Produktlaunch an.
Das Know-How sitzt bei 4tiitoo in der Applikation für die Blicksteuerung und den dazugehörigen Data-Lakes mit zigtausenden Stunden von Computerinteraktionsdaten. Die Lösungen des Münchener Teams sind darauf ausgelegt, einen Großteil der Mausinteraktion am Computerarbeitsplatz durch natürliche Blicksteuerung zu ersetzen. Das kann bis zu zwölf Prozent Zeitersparnis bedeuten. Die KI-basierte, selbstlernende Software erkennt außerdem schon nach kurzem Einsatz das individuelle Nutzerverhalten, trifft immer präzisere Vorhersagen und schlägt erwartete Nutzereingaben aktiv vor.
Die Wirtschaftswoche sieht in der Lösung einen wichtigen Technologielieferanten für Datenbrillen. Während das ein mittel- bis langfristiges Thema ist, stellt Eye-Tracking für ein besseres Erlebnis von Videocalls auch jetzt schon einen Need dar, den es am Markt zu bedienen gilt – und den das Team über seine Produkte abbilden kann: Das c’t Magazin bestätigt das neueste Produkt NUIA Full Focus, das mit MS Teams, Zoom usw. zusammenarbeitet „als äußerst praktisches Werkzeug für Videoanrufe und -konferenzen“.
2nd Closing der Finanzierungsrunde nicht mehr notwendig
Ursprünglich angedacht war ergänzend zur Runde im Oktober ein Second Closing Ende 2020. „Das war dann aber gar nicht mehr notwendig,“ sagt Tore Meyer, Co-Founder und Geschäftsführer bei 4tiitoo. „Wir waren mit der Runde im Oktober extrem gut aufgestellt. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, die nächsten Schritte direkt zu gehen.“ An Arbeit und Kundenanfragen hat es nicht gemangelt – mehr als 50 Kunden zählt das Unternehmen inzwischen, darunter bereits acht DAX Unternehmen wie SAP, Daimler oder Siemens.
Das frische Kapital floss in die Vermarktung und die weitere Entwicklung ihrer Softwareplattform für Blicksteuerung, sowie eine neue Lösung für Videokonferenzen mit dem Namen NUIA Full Focus, die Nutzern dabei hilft, Blickkontakt mit dem Gesprächspartner herzustellen und zu halten. Das Tool soll auch bei der weiteren Geschäftsentwicklung eine maßgebliche Rolle spielen.
Bei der Weiterentwicklung der Produkte ging es dabei um mehr als den technischen Aspekt
Bei einer Software, die die meisten Kunden vorher so noch nie benutzt haben und die weitgehend ‚unsichtbar‘ für den User ist stellte sich für 4tiitoo auch die Frage: wie kommuniziert das Produkt selbst zum Nutzer?
Zweites Produkt, neue Vertriebswege
Der Start von NUIA Full Focus zog sich dann etwas länger hin als von 4tiitoo geplant. „Es ist eine Sache, ein Produkt technisch an den Markt zu bringen, Kinderkrankheiten zu optimieren und das Kundenfeedback einzuarbeiten“, sagt Meyer. „Wir mussten darüber hinaus unsere Vertriebsstrategie ausbauen.“ Denn: anstatt einfach ‚nur‘ größere Einheiten an Kunden zu verschicken, kamen mit der neuen Lösung auch Einzelkunden hinzu, die das Unternehmen nun anspricht.
Das hatte nicht nur Auswirkungen auf den Aufbau ihrer digitalen Verkaufsplattform. „Das Fulfillment ist ein anderes geworden. Als die kleinsten Kunden bei uns zuvor 20 Einheiten gekauft haben, war das ein einziger Prozess bei uns. Plötzlich Einzelunits bis nach Dubai zu schicken, änderte unsere internen Abläufe fundamental.“ Die Logistik hierfür aufzubauen, die eigene Technologie innerhalb weniger Tage nach Bestelleingang international zu versenden, und sattelfest auch bei Themen wie internationalem Steuerrecht zu werden, seien weitere wichtige Meilensteine nach der Finanzierungsrunde gewesen.
Corona als Treiber fürs Geschäft?
„Wir haben in den letzten Monaten einen Bewusstseinswandel in Richtung Home Office und Ergonomie bei unseren Kunden erlebt, den wir dann auch zeitnah mit unseren Produkten nachvollziehen mussten“, erklärt Meyer.
4tiitoo hatte sich zum Markteinstieg bei ihren Sales Pitches stark auf das von den Kunden geforderte Thema Effektivität bei der Computernutzung fokussiert. User werden schneller in der Bedienung, und tausendfach täglich durchgeführte Aktionen - wie das Bewegen der Maus von A nach B entfallen durch Augensteuerung. Mit Corona und dem Thema Home Office rückte das Unternehmen dann stärker den Gesundheitsaspekt, den ihre Produkte bedienen können, in den Vordergrund.
Denn die Eye-Tracking Lösung verringert die ergonomische Belastung bei der Mausbedienung in Hand, Arm und Rücken, die Mitarbeiter bei nicht ideal ausgestatteten Heimarbeitsplätzen erleben. Die Arbeitsplatzergonomie verbessert sich, indem Nutzer z.B. Links, Elemente und Eingabefelder direkt per Blick steuern und Inhalte, angepasst an die Lesegeschwindigkeit, automatisch scrollen. „Es wird immer relevanter, wieviel du am Arbeitsplatz mit der Maus machen musst und was du mit den Augen machen kannst“, so Meyer.

Tore Meyer:
Nachdem die ersten 50 Jahre der Computernutzung davon geprägt waren, dass wir Menschen uns an die Möglichkeiten der Maus und Tastatur angepasst haben beginnt nun mit Spracherkennung, Gesten- und Blicksteuerung die Zeit, in der unsere Geräte uns Menschen in unserer natürlichen Interaktion wahrnehmen.
Augensteuerung kann dabei ein zentrales Element sein, das über die wachsende Bedeutung von ergonomischen und effektiven Arbeitsplätzen seinen Weg in den Büro- und Home-Office-Alltag findet. Es sei zu erwarten, dass noch in diesem Jahrzehnt Eye Tracking als Standard-Sensor in Laptops und Monitoren verbaut wird. 4tiitoo hat sich hier als einer der Marktführer in diesem Bereich positioniert, um die neuen Standards der Computerinteraktion aktiv mit zu definieren.