Eine Vielzahl von Startups verfolgt Geschäftsideen, die Künstliche Intelligenz (KI) wie maschinelles Lernen nutzen. So werden beispielsweise Systeme zur Bilddatenverarbeitung, zur Spracherkennung oder für das „Internet der Dinge“ entwickelt, die eine KI-Komponente enthalten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine KI-basierte Geschäftsidee patentierbar.
Allgemeine Vor- und Nachteile eines Patents für Startups
Patente sind Monopolrechte mit einer Laufzeit von 20 Jahren. Sie können Wettbewerber im Markt behindern, vom Markt ausschließen oder Lizenzeinnahmen generieren. Patente schützen vor Nachahmung und sind deshalb bei Kapitalgebern beliebt. Patente sind damit ein zusätzlicher Rohstoff für Startups, um eine Geschäftsidee erfolgreich am Markt zu positionieren. Nachteilig sind natürlich die Kosten und die Tatsache, dass die KI-Erfindung nach 18 Monaten nach der Patentanmeldung beim Patentamt öffentlich zugänglich ist. Die Offenlegung der Erfindung ist die Gegenleistung des Erfinders für sein 20-jähriges Monopolrecht.
Für KI-Erfindungen gilt in Europa eine höhere Patentierungshürde
KI-Erfindungen werden vom Deutschen und Europäischen Patentamt wie Softwareerfindungen bzw. wie Softwarepatente behandelt. Im Vergleich zu Erfindungen aus traditionellen technischen Gebieten wie der Elektrotechnik oder dem Maschinenbau ist die Patentierungshürde für Softwareerfindungen höher. Softwareerfindungen müssen im Vergleich zu klassischen Erfindungen zusätzliche Voraussetzungen erfüllen, um patentierbar zu sein. Die höhere Patentierungshürde ist letztlich eine politische Vorgabe. In anderen Märkten, z. B. in Japan, ist die Patentierungshürde für Softwareerfindungen deutlich niedriger. Ein Blick auf andere außereuropäische Märkte kann sich daher für ein Startup durchaus lohnen, um sich mit einem Patent einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Voraussetzungen für die Patentierbarkeit von KI-Erfindungen
Erstens darf die Idee noch nicht existieren. Wurde die KI-Erfindung z. B. in einem Online-Artikel beschrieben oder bereits von einem Wettbewerber zum Patent angemeldet, kann sie nicht mehr nachträglich durch ein Patent geschützt werden. Die KI-Erfindung hätte vor der Veröffentlichung bzw. vor dem Wettbewerber zum Patent angemeldet werden müssen. Dies gilt übrigens für alle Erfindungen, nicht nur für KI-Erfindungen.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass die KI in einer technischen Anwendung verwendet oder spezifisch technisch umgesetzt wird.
Wie erfüllt KI die Voraussetzung der technischen Anwendung?
Die KI muss im Zusammenhang mit der Erfindung einen technischen Effekt erzeugen, der ein technisches Problem löst. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn
- die Ausgangsdaten der KI zur Steuerung eines bestimmten technischen Systems (z. B. eines Röntgengeräts) verwendet werden und bei dem System eine technische Wirkung hervorrufen, die vorteilhaft ist (z. B. dass das Röntgengerät genauer misst),
- Audio-, Bild- oder Videodaten durch KI verbessert oder analysiert werden (z.B. Personenerkennung in einem digitalen Bild). Solche Daten werden in der Regel als physische Entitäten betrachtet, und KI wird dann als ein technischer Prozess angesehen, der diese physischen Entitäten verarbeitet,
- in einem Computernetz die Lastverteilung durch KI optimiert wird.
Wie erfüllt KI die Voraussetzung einer spezifischen technischen Umsetzung?
Alternativ zur technischen Anwendung kann es für die Patentierbarkeit ausreichen, dass die KI spezifisch technisch umgesetzt ist. Dies ist häufig der Fall, wenn die KI nicht von einem/einer Programmierer*in, sondern von einem/einer „technischen Programmierer*in“ implementiert wird. Der/die technische Programmierer*in stellt technische Überlegungen an, die über das bloße Finden eines Computeralgorithmus zur Ausführung eines Verfahrens hinausgehen. Beispielsweise wurde in der Vergangenheit ein Patent erteilt, bei dem die Ausführung datenintensiver Trainingsschritte eines Algorithmus für maschinelles Lernen an einen Grafikprozessor (GPU) und vorbereitende Schritte an einen Standardprozessor (CPU) delegiert wurden, um die parallele Architektur der Computerplattform zu nutzen. Diese Idee, die von einem technischen Programmierer umgesetzt wurde, gab es damals noch nicht.
Letzte Hürde der KI-Erfindung
Sind die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, steht der KI-Erfindung wie einer Erfindung auf einem klassischen technischen Gebiet die Tür zum Patent offen. In der Praxis ist grundsätzlich nur noch eine Hürde zu nehmen: Die KI-Erfindung darf sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben, wie oben bereits angeführt. Der Stand der Technik wird in der Regel vor der Ausarbeitung und Einreichung einer Patentanmeldung beim Patentamt zumindest rudimentär ermittelt, z. B. durch einen Patentanwalt oder Patentrechercheur. So kann bereits vor der kostenintensiven Ausarbeitung der Patentanmeldung abgeschätzt werden, ob eine Patentanmeldung auf Basis des Standes der Technik sinnvoll ist. Nach Einreichung der Erfindung beim Patentamt recherchiert ein/e Patentprüfer*in erneut von Amts wegen nach dem Stand der Technik und führt anschließend eine amtliche Patentprüfung durch.
Zusammenfassung
Die Patentierung einer KI-Erfindung kann zu einem Wettbewerbsvorteil führen und daher für ein Startup sehr sinnvoll sein. Für KI-Erfindungen sind in Europa und Deutschland im Vergleich zu Erfindungen in klassischen Technologiefeldern zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen.
Bei Fragen zu KI-Erfindungen steht der Autor Patentanwalt Michael Schüller gerne zur Verfügung.